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Fachleute

Autorenbild: Claudia TerportenClaudia Terporten

Die Überlegung, wo ich meine Zielgruppe am besten erreichen kann, führt mich unweigerlich in gynäkologische Praxen. Es gibt Ärztinnen, die sich für mein Angebot interessieren und freundlicherweise von der Möglichkeit eines persönlichen Vorstellungsgespräches, ganz regulär, mit Termin in der Sprechstunde, Gebrauch machen.


Zuerst darf ich in einer Gemeinschaftspraxis ankommen. Spontan und netterweise holt die Ärztin, bei der ich angemeldet bin, noch eine ihrer Kolleginnen dazu, damit sie direkt mithören kann. Diese erweist sich sogar als besonders aufgeschlossen, sie fragt aktiv nach und es wird etwas zwischen uns in Gang gesetzt. Als ich mein Anliegen bezüglich der Adoptionsberatung dargestellt habe, weise ich noch auf meinen zweiten Inhalt und dessen Bedeutung hin. In möglichst kurzer Zeit versuche ich möglichst viel Inhalt zu transportieren, weil mir die Ärztin Termindruck signalisiert, und ernte bei ihr ein abschließendes "Ja ja, wir sagen denen schon, dass sie keinen Alkohol trinken sollen." Freundlich beenden wir das Dreiergespräch, und als ich wieder an der frischen Luft bin, realisiere ich erst klar das Problem, das eben nicht nur ein theoretisches ist, sondern die tägliche Wahrheit: Im Rahmen der Ausstellung des Mutterpasses nach einer festgelegten Ziffer der ärztlichen Gebührenordnung wird die Information "Trinken Sie keinen Alkohol" neben "Das Katzenklo machen Sie besser nicht selbst sauber" und "Essen Sie keine Rohmilchprodukte" im knapp gesteckten Zeitrahmen geäußert, ohne Erklärung, ohne Nachdruck, ohne die tatsächliche Dimension auch nur anzudeuten. Festes Budget, enger Rahmen.


Ein neuer Termin in einer anderen Praxis. Ich sitze einer sehr freundlichen Gynäkologin in geschmackvoll und besonders exklusiv eingerichteten Räumen gegenüber. Auch sie hat ein offenes Ohr für die Idee der Adoptionsberatung und spannt im Gespräch den mir so vertrauten Faden zur manchmal ungerecht scheinenden Verteilung der Fruchtbarkeit in unserer Gesellschaft. Das deute ich als gute Basis. Bevor ich aufstehe, betone ich, dass mir noch ein anderer Schwerpunkt am Herzen liegt- FASD. Der irritierte Blick meines Gegenübers lässt mich kurz zögern, dann folgt die Frage: "Was ist FASD?" Automatisch spule ich meine Erklärung ab und verlasse anschließend begleitet von guten Wünschen die Praxis. Wieder kann ich erst draußen erfassen, was gerade passiert ist: Es kann und darf doch einfach nicht wahr sein, dass eine GYNÄKOLOGIN diese Abkürzung nicht kennt und sofort einordnen kann! Sie ist erste Ansprechpartnerin von Schwangeren, Hauptinformationsquelle, qualifizierte Vertrauensperson, trägt als Medizinerin Verantwortung...- und ihr ploppt nicht augenblicklich Fetal Alcohol Spectrum Disorder auf, wenn sie dem Begriff begegnet??? Da muss ich kommen, Mutter und Pädagogin und Alltagsbetroffene ohne Medizinstudium, um sie darauf aufmerksam zu machen? Was läuft hier falsch?


Diese Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe, sind natürlich viel nützlicher als eine kurze "Ich habe derzeit kein Interesse an einem Gespräch"- Mail auf meine Anfrage, oder als die Auskunft über eine Arzthelferin, die Ärztin habe schon einen Ansprechpartner genau zu dieser Thematik. (Hat sie meine Thematik überhaupt am Telefon verstanden, die gute Frau? Und falls ja: Hat sie sie auch verständlich an ihre Chefin weitergegeben? Und falls ja: Hat diese überhaupt zugehört???)

Trotzdem erschrecken sie mich. Wenn ich schon in Fachkreisen diesen Reaktionen begegne, die ich naiv für unwahrscheinlich und für von Kritikern übertrieben hielt - wie sieht es dann in der Allgemeinheit aus? Und ausgerechnet die betrifft es.


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